Die Farben unseres Europas kennen keine Grenzen - von Sebastian Bauer, Berliner Zeitung

9. August 2016 | Berliner Zeitung

Von Sebastian Bauer

In der Ausstellung „As If, At Home“ erzählen Künstler wie Norbert Bisky von einer Welt bedrohter Freiheiten.

Norbert Bisky verarbeitet bei „2014“ (2014) innere Zerrissenheit in Bezug auf die Ukraine-Krise (Foto: Georg Moritz .)

Norbert Bisky verarbeitet bei „2014“ (2014) innere Zerrissenheit in Bezug auf die Ukraine-Krise (Foto: Georg Moritz .)

Es ist wohl die richtige Ausstellung zur richtigen Zeit. Im Box Freiraum in Friedrichshain zeigen elf europäische Künstler bei „As If, At Home“, warum unser Kontinent zusammen- und nicht in abgeriegelte Einzelstaaten zergliedert gehört.

Da sind zum Beispiel die Gemälde der Griechin Lia Kazakou (35), auf denen Hände oder Gesichtspartien mit kleinen Gesten eine große Geschichte über den Abgebildeten erzählen. „Ich fühle mich wie eine Weltkünstlerin“, so Kazakou. Dankbar ist sie, dass ihre Landsleute im vergangenen Jahr, anders als die Briten, für einen Verbleib in der Europäischen Union stimmten. „Zum Glück sind wir noch Teil der EU“, sagt sie.

Die Griechin Lia Kazakou interessiert sich für die Details des menschlichen Körpers („Untitled“, 2015) (Foto: Georg Moritz .)

Die Griechin Lia Kazakou interessiert sich für die Details des menschlichen Körpers („Untitled“, 2015) (Foto: Georg Moritz .)

Wie es ohne grenzüberschreitendes Miteinander aussieht, kennt unter den Künstlern am ehesten Norbert Bisky (45), der in der DDR aufwuchs. „Daher weiß ich meine Freiheit vielleicht mehr zu schätzen als andere. Ohne die Verhältnisse, die wir in Europa haben, könnte ich meinen Beruf nicht ausüben“, sagt er. „Wenn es zum Beispiel einen blöden Diktator gäbe, der mir sagt, was ich zu tun und zu pinseln habe.“

Bisky, der in den USA und Israel lebte, plädiert für einen lebendigen Austausch mit anderen und sagt: „Welch ein entsetzlicher Gedanke wäre es, nur unter uns rumzuhängen.“ Mit Worten und seinen Gemälden möchte er ein Freiheitsprediger sein. Bisky: „Wir sollten den Meinungsraum nicht nur den Idioten überlassen. Die coolen Leute sollen auch mal sagen, was sie denken.“

Spiel mit dem Feuer: der Syrer Ali Kaaf schuf seine Glasskulptur „Helmet No. 4“ (2012) über einer Flamme (Foto: Georg Moritz .)

Spiel mit dem Feuer: der Syrer Ali Kaaf schuf seine Glasskulptur „Helmet No. 4“ (2012) über einer Flamme (Foto: Georg Moritz .)

Das gelte sogar angesichts steigender Terror-Gefahr und Gewalt gegen Homosexuelle, wie in Orlando. „Ich bin kein ängstlicher Mensch“, so Bisky. „Ich weiß aber, dass ich als Künstler als Erster betroffen bin und viel zu verteidigen habe. Deswegen und weil ich so lebe, wie ich möchte, stehe ich auf der Terrorliste ganz weit oben.“

Sean Scullys dunkle Farbstudie „Landline Inwards“ (2015) (Foto: Georg Moritz .)

Sean Scullys dunkle Farbstudie „Landline Inwards“ (2015) (Foto: Georg Moritz .)

Davon abschrecken lassen sich er und die anderen zehn Künstler nicht. „Ich mache immer, was ich will“, sagt der irischstämmige Maler Sean Scully (71), bevor er in Bukowski-Manier in sein Weißweinglas abtaucht. Und der syrische Wahl-Berliner Ali Kaaf (38) sieht bezüglich seiner Heimat Hoffnung am Ende des Tunnels. Wobei er ergänzt: „Ich wohne in Neukölln. Das ist meine Heimat. Und die Welt.“

Bis 31.10., Mi.–Sa., 14–18 Uhr, Box Freiraum, Boxhagener Straße 93/96, Friedrichshain, Eintritt frei, ☎ (0151) 40 16 04 44