Ein Zelt für Nomaden - von Irmgard Berner, ZITTY
/23. August 2016 | ZITTY
Von Irmgard Berner
Noch bis Ende August läuft das Project Space Festival - und bietet Besuchern wie Teilnehmern erstmals einen festen Anlaufpunkt: ein Zirkuszelt im Zentrum der 31 mitwirkenden Kunstorte
Eine Brache, darauf ein gelb-rotes Zirkuszelt, darin nichts außer einigen Klappstühlen und zwei Stehtischen auf dem blanken Erdboden. Provisorisch, unprätentiös – und gut besucht. „Unser Zentrum“, sagt Heiko Pfreundt stolz, der gemeinsam mit der Kuratorin Marie-José Ourtilane die neue künstlerische Leitung des „Project Space Festival“, des Projektraum-Festivals 2016innehat.
Hier in Berlins wertvollster Mitte, auf der verwilderten Wiese hinter dem Theaterhaus in der Wallstraße, hat die Festivalleitung das „Center of Minimum Distance“ aufbauen lassen – als kleinsten gemeinsamen Entfernungsnenner zwischen den beteiligten Ausstellungsorten. Das mag sinnvoll sein, bespielt das Festival doch an jedem Augusttag einen anderen Berliner Projektraum: 31 Orte an 31 Tagen. In den Vorjahren wurde das Fest als reine Tour organisiert. „Mit dem Zentrum“, sagt Pfreundt, „geben wir einen Raum – ohne Kunst, aber für ein Gefühl von Kommunalität.“ Das ähnelt allemal dem, was einen Projektraum ausmacht: Dialog, Austausch, Begeisterung – ein kunsterfülltes Soziotop.
Nabelschau der Projekte
Zum dritten Mal findet dieses umtriebige, unkonventionelle und aufschlussreiche Festival statt. 70 Bewerber gab es und zum ersten Mal Förderung aus Mitteln der City Tax. Mit dem Landespreis für künstlerische Projekträume und –initiativen, der seit 2012 vergeben wird, hat es aber nichts zu tun, auch wenn fünf Teilnehmer des Festivals zu den diesjährigen Gewinnern des Preises zählen, den Kulturstaatssekretär Tim Renner im September verleihen wird.
Das Project Space Festival dient als eine Art Nabelschau und Seismograf der aktuellen Berliner Projektraum-Szene. Wobei Berlin zu kurz gegriffen ist, denn erstmals öffnet sich das Festival für auswärtige Teilnehmer. So präsentierten sich aus Köln Bruch & Dallas und aus Kassel Tokonoma in Berlin. 24 Stunden hat jeder Zeit, eine Ausstellung oder Performance zu zeigen.
Projekträume spiegeln Tendenzen. Anders als in der Aufbruchszeit der 90er-Jahre, ist Wohnen und Arbeiten unter einem Dach nicht mehr üblich. Praktiziert wird es noch von Apartment Project in Neukölln, der ersten türkischen Gründung, und vom Kunsthaus KuLe in Mitte, das mit 25 Jahren der älteste Teilnehmer ist. Vielerorts hat dagegen das Nomadische das freie Kunstschaffen erfasst. Der Comedy Club und die Galerie BRD existieren nach diesem Prinzip: Sie haben gar keinen festen Ort.
Kurz und knackig
Das Flüchtige und Temporäre ist nicht der Kunst allein geschuldet, sondern vor allem dem Verlust von benutz- und bezahlbaren Räumen durch Entmietung und Gentrifizierung. Genau darauf reagiere die Projektraum-Szene in großem Maß, sagt Pfreundt, der sonst beim Kreuzberg Pavillon mitwirkt. Sie eigne sich die Entortung an und implementiere sie in die eigene Praxis. Die Wahl des Ortes oder Nichtortes wird Teil von Selbstverständnis und Strategie.
„Das Konzept ist fantastisch“, sagt Carola Rümper von mp43 – projektraum für das periphere, der neu dabei und in Marzahn-Hellersdorf an die kommunale Galerie M angebunden ist. Sie habe kurze, knackige Ausstellungsformate ohnedies lieber als langlaufende. Der August sei meist Flautezeit, zudem sei sie gespannt auf die Treffen mit den anderen Teilnehmern. Im Zentrumszelt verknüpfen sich bereits die Netzwerkfäden.
Noch bis 31.8., täglich
23. August: 16–22 Uhr drucken/falten/binden; 20 Uhr leben nebel, Performance by Karin Krautschick
LAGE EGAL RAUM FÜR AKTUELLE KUNST, Danziger Str. 145, Prenzlauer Berg
24. August: 19–22 Uhr COMEDY CLUB c/o Ecke Tegeler Straße & Fennbrücke, Am Nordhafen, Wedding/ Moabit
25. August: Larrys Show on the run, 19.30 Abfahrt ab LARRY, Chausseestr. 131, Mitte
26. August: Global Female Inventories, 17-21 Uhr, NOTE ON c/o BOX Freiraum, Boxhagener Str. 93/96 (Innenhof), Friedrichshain
27. August: Off the Record, NEUE BERLINER RÄUME, 11h, 15h, 19h , Treffpunkt: Nollendorfplatz: Kleiststr. / Ecke Motzstr. Begrenzte Teilnehmerzahl. Bitte für einen der Termine anmelden : info@neueberlinerraeume.de
28. August: FRANKFURT AM MAIN: „Park View“ – Gruppenausstellung. 16 Uhr, Leipziger Str. 40, Mitte
29. August: SCHNEEEULE: Skulpturale Arbeiten, ab 19.00, c/o ACUD STUDIO, Veteranenstr. 21, Mitte
30. August: KINDRHOOK & CARACAS, Premiere: CONGLOMERATE – Block Two, Film, 20 Uhr, c/o Moviemento,
Kottbusser Damm 22, Kreuzberg
31. August: KuLe & AFROTAK TV cyberNomads: No Amnesty on Genocide Deutschland, 18-20 Uhr, Auguststr. 10, Mitte
Zentrales Zelt: Theaterhaus Berlin Mitte, Wallstraße 32 – Haus C, Mitte, U2 Märkisches Museum,U8 Heinrich-Heine-Straße
Alle: www.projectspacefestival-berlin.com